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  Der schwarze Mann
Eigentlich hatte ich eine schöne Kindheit.
Ich hatte dieses schöne, große Zimmer im Haus meiner Eltern, das ganz nach meinen Wünschen stets neu eingerichtet wurde. Der Garten hinter dem Haus war groß und ich spielte mit Vater dort oft auf dem Rasen, bis Mutter uns zum Essen auf die Terrasse rief.
Das waren schöne Tage. Mein Leben war unbekümmert, zumindest tagsüber.
Nachts aber hörte ich oft dieses Pochen, das mich stundenlang wach hielt. Stets sagte ich mir, es wäre nichts weiter, aber dann kroch ich doch wieder in das Bett meiner Eltern.
Als ich sechs war, bekam ich einen kleinen Bruder. Ich freute mich auf seine Geburt, doch das Entstehen dieses neuen Lebens nahm mir einen anderen, geliebten Menschen.
Mutter starb bei seiner Geburt. Ich kann mich heute kaum noch an sie erinnern. Nur an ihr Lächeln, wenn sie das Abendessen auftrug, sonst nichts. Nicht einmal ihre Stimme klingt noch in meinem Gedächtnis.
Vater schien tagsüber immer sehr gefasst und stark zu sein. Er war darum bemüht, dass alles weiter ging und recht schnell zum Alltag zurück fand. Doch nachts hörte ich ihn, noch lange nach ihrem Tod, im Nebenzimmer weinen.

Eine Tagesmutter kümmerte sich um meinen neuen kleinen Bruder, bis er drei war und in den Kindergarten kam. Ich habe mich so fest an ihn geklammert. Mit Mutters Lebenshauch schien sämtliche Wärme aus Vaters Herz gewichen zu sein. Denny gab mir ein Gefühl der Geborgenheit.
Doch nachts war ich wieder allein und das Pochen verstummte nicht. Ich habe mich nicht getraut zu Vater ins Bett zu steigen. Das Pochen oder sein Schluchzen in der Nacht? Ich wusste nicht, was schlimmer war.
Manchmal ging ich zu Denny ins Zimmer und sah ihm eine Weile beim Schlafen zu. Das beruhigte mich. Babys schlafen friedlich. Sie kennen noch keine Angst, schon gar nicht vor seltsamen Geräuschen.
Er wurde älter und wie jedes Kind begann auch er sich irgendwann im Dunkeln zu fürchten. Ab etwa seinem dritten Lebensjahr kam er dann regelmäßig zu mir ins Bett. Ich war froh darüber. Wir hielten uns unter der Decke an der Hand und horchten mit weit aufgerissenen Augen dem dumpfen Klopfen, bis wir erschöpft einschliefen.
Das war nicht jede Nacht so. Manchmal war auch Ruhe. Am Tag sprachen wir nie darüber. Es war wie ein stillschweigendes Übereinkommen. Nie haben wir es erwähnt. Ich habe auch Vater nicht einmal gefragt, ob er es auch hörte, war mir aber sicher, dass er es tat.
Manchmal habe ich mich gefragt, ob ich mir das alles nicht einbildete. Doch wenn Denny nachts ängstlich zu mir ins Bett kam, wusste ich, es war echt.
Am Morgen war das Pochen weg. Aber war es das wirklich? Oder wurde es einfach nur von den Geräuschen des Alltags überdeckt? Und woher kam es eigentlich? Von draußen? Den Nachbarn?
Ich habe versucht, mir das einzureden. Aber im Inneren wusste ich, dass es aus unserem Haus kam, aus dem Keller.

Ich sah die Tür das erste Mal, als ich etwa zehn war. Die Schule war an diesem Tag eher aus, weil eine Lehrerin krank war und so kam ich früher als erwartet nach Hause.
Ich betrat den Flur und sah, dass die Kellertür offen stand. Vorher war ich noch nie da unten gewesen. Die Tür war sonst immer verschlossen. Langsam stieg ich die Treppe herunter. Es war fast dunkel, denn es leuchtete nur eine schwache Lampe am Ende der Treppe. Ich hörte das Pochen. Es war jetzt viel lauter und näher und eigentlich mehr ein Rumsen, als würde jemand gegen eine Wand rennen.
Schräg gegenüber von der Treppe war sie. Eine große, eiserne Tür, die schon sehr alt aussah. Mit einem stählernen Balken war die Tür quer verriegelt. In dem unverputzten Kellerraum wirkte sie unecht und auf eine eindrucksvolle Art beängstigend.
Etwa nach der Hälfte der Stufen kam Vater mir plötzlich entgegengestürmt.
„Was machst du hier?“, schrie er mich entsetzt an. „Verschwinde! Mach, dass du nach oben kommst.“
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich drehte mich mit einem Schwung um und rannte auf mein Zimmer.
Später holte er Denny vom Kindergarten ab. Dieser verbrachte den ganzen Nachmittag in meinem Zimmer und ich erzählte ihm, was passiert war.
Beim Abendessen sagte Vater zu uns, dass wir nicht in den Keller gehen dürften. Es sei gefährlich, denn da unten hauste der schwarze Mann.
Natürlich konnten wir in dieser Nacht nicht schlafen. Es war das erste Mal, dass wir über das Pochen sprachen. Denny lag neben mir im Bett und auch wenn es in dieser Nacht absolut ruhig war, spürte ich seine Angst.
War es ein Fehler gewesen ihm von meiner Entdeckung zu erzählen?
Natürlich war es das. Er war doch erst vier und ich erzählte ihm ja nicht irgendeine Gruselgeschichte, sondern etwas, das tatsächlich da war. In unserem Haus, im Keller.
Ich versuchte mir vorzustellen, was hinter der Tür war und malte mir schreckliche Dinge aus. Hielt Vater dort jemanden gefangen? Aber warum und wie kam es, dass nie jemand etwas bemerkt hatte? Hatte Mutter davon gewusst? Mir fiel keine logische Erklärung ein und natürlich fragte ich Vater auch nie danach.
Wahrscheinlich hatte ich Angst vor der Antwort, wenn ich überhaupt eine bekommen hätte. Doch was sich in Wahrheit hinter ihr verbarg, sollte alle meine schlimmsten Befürchtungen noch übertreffen.

Es dauerte weitere vier Jahre, bis ich das Geheimnis lüftete. Es war an einem schulfreien Tag und Vater war auf Arbeit.
Denny und ich hatten lange geschlafen und dann nachmittags im Haus gespielt. Draußen war es kalt und etwas regnerisch, so dass wir lieber drinnen blieben.
Irgendwann am späten Nachmittag begannen wir Verstecken zu spielen. Alle Zimmer waren erlaubt, auch Vaters Schlafzimmer.
Ich war an der Reihe mit Suchen. Unglücklicherweise war ich nicht davon ausgegangen, dass Denny sich tatsächlich trauen würde, sich in Vaters Zimmer zu verstecken und so hatte ich bereits das ganze Haus durchsucht, als ich ihn endlich fand.
Die Tür öffnete sich mit einem leisen Quietschen und ich sah meinen kleinen Bruder an Vaters Nachkommode stehen. Scheinbar hatte er die Zeit genutzt, um sich etwas umzusehen. Mit weit aufgerissenen Augen drehte er sich zu mir um. Ich wusste nicht, wie ich seinen Gesichtsausdruck deuten sollte. Er war einerseits ängstlich, andererseits aber auch neugierig und aufgedreht.
Plötzlich grinste er und hielt mir einen kleinen, glänzenden Schlüssel entgegen.
„Glaubst du, das ist der Kellerschlüssel?“
Ein Schauer lief mir über den Rücken. „Möglich“, sagte ich zögernd.
Seine Augen nahmen einen unheimlichen Glanz an. „Sollen wir nachschauen?“, fragte er, ohne dabei diesen Ausdruck zu verlieren.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich war der Ältere und hatte die Verantwortung. Tausend schlaue Sprüche wie Vater hat es uns verboten, Wir sollten lieber auf ihn hören und Er könnte jeden Moment nach Hause kommen ,geisterten durch meinen Kopf.
Dagegen sprach eine andere Stimme, die mir sagte ich sei ein feiges Baby, wenn ich es nicht tun würde. Hin und her gerissen von Pro und Contra siegte schließlich eine dritte Stimme: meine jugendliche Neugier.
„Komm schon Steve“, sagte Denny, wie um mich anzufeuern.
Ich schritt langsam auf ihn zu und nahm ihm den Schlüssel aus der Hand, den er immer noch hoch hielt. „O.k. Aber du machst Nichts, ohne mich vorher zu fragen. Wir spielen das nach meinen Regeln, klar?“
Sein ohnehin schon breites Grinsen schien noch etwas weiter zu werden. „Alles klar, Boss“. Gemeinsam gingen wir runter in den Flur und standen einen Augenblick wie festgefroren vor der Kellertür. Dann schaute ich zu Denny. Sein heiterer Gesichtsausdruck war verschwunden, doch er sah mich drängend an.
Ich atmete einmal tief durch und schob dann den Schlüssel in das Schloss. Er ließ sich leicht drehen und die Tür öffnete sich einen Spalt weit von allein. Ich drückte sie vollständig auf und betätigte den Lichtschalter links neben der Tür.
Denny versuchte sich an mir vorbei zu schieben, doch ich hielt ihn zurück.
„Ich gehe zuerst“, sagte ich in einem Ton, der keine Diskussion zuließ.
Wir stiegen langsam die steile Treppe hinunter. Es war still. Kein Laut war zu hören. Nach der letzten Stufe hielt ich inne.
Denny stellte sich neben mich und starrte gebannt auf die Tür. „Sie ist größer, als ich sie mir vorgestellt hatte“, flüsterte er mir zu, als befürchtete er, jemand anderer außer mir könnte ihn hören.
„Machen wir sie auf?“ Ich zuckte zusammen, als ich diese Worte hörte. Mir war nicht der Gedanke gekommen, sie zu öffnen.
„Du spinnst wohl“, herrschte ich ihn an. „Wer weiß, was dahinter ist“.
„Sei nicht so ein Feigling, Steve“, sagte mein Bruder in einem überheblichen Ton.
„Wir haben schon seit Wochen das Geräusch nicht mehr gehört, oder? Und wahrscheinlich war es auch nur so etwas wie ein altes Leitungsrohr.“
Denny hörte sich regelrecht erwachsen an, als er diese Sachen sagte. Für seine gerade mal acht Jahre hatte er scheinbar bereits seinen Glauben an das Unheimliche verloren.
Ich dagegen glaubte noch immer an den schwarzen Mann, mit dem Vater versucht hatte, uns von hier unten fern zu halten. Ich fragte mich erneut, was er versuchte hier vor uns zu verstecken. Vielleicht wollte er aber auch nur nicht, dass wir hier herum tobten.
Hatte mein kleiner Bruder Recht? War ich wirklich nur ein Feigling, der sich von Gruselgeschichten erschrecken ließ?
Ich war ja immerhin schon 14. Wenn Linda wüsste, wie ich mich wegen so einer blöden Tür anstellte, würde sie sicher lachen und ich hätte gar keine Chance mehr bei ihr.
Und auf gar keinen Fall würde ich zulassen, dass Eddie sie bekam.
Ich schaute zu Denny. Er hatte wieder diesen erwartungsvollen Glanz in seinen Augen.
„Was ist nun Steve, machen wir sie auf?“
Ich gab mir einen Ruck. „Na gut, schauen wir nach.“
Langsam gingen wir auf die Tür zu. Denny blieb etwa zwei Meter vor ihr stehen und sah mir dabei zu, wie ich mich dem großen Balken näherte. Ich spürte, wie seine Anspannung wuchs. Auch meine Nervosität stieg in mir unbekannte Dimensionen. Meine Hände zitterten. Langsam schloss ich sie um den Balken. Ich zog daran, aber nichts geschah.
„Zieh fester“, spornte Denny mich an.
Gesagt, getan. Ich zog kräftiger und der verrostete Riegel löste sich mit einem Quietschen. Plötzlich flog die Tür nach außen mit einem Schwung auf. Ich wurde zurück an die Kellerwand geschleudert.
Eine grauenvolle Kreatur sprang mit einem Satz nach vorn und landete genau auf meinem Bruder. Sein dünner Körper wurde nach unten gedrückt.
Die Bestie stand über Denny, seine haarigen Beine standen um ihn herum und schlossen ihn regelrecht unter seinem gewaltigen Körper ein. Das Ding war fast dreimal so groß wie ein Wolf. Der Brustkorb war ungewöhnlich breit im Vergleich zum Rest des Körpers. Das Fell war dreckig und verfilzt, seine gelben Augen leuchteten im Dunkeln wie kleine Lampen.

Ich war erstarrt vor Angst und konnte mich nicht bewegen. Ich sah, wie das Biest seinen Kopf senkte und die riesigen Zähne fletschte. Mit seiner feuchten Nase berührte es beinahe Denny´s Gesicht.
Mein kleiner Bruder wandte sein Gesicht von der grauenhaften Gestalt ab und blickte mich an. Ich erkannte erst ein Flehen in seinen Augen, dann Verzweiflung und schließlich einen Blick, der sich von mir verabschiedete.
Die Kreatur stellte sich auf die Hinterbeine, seine rechte Vorderpfote spreizte die einzelnen Krallen, die scharf wie Rasiermesser aussahen. Diese gruben sich blitzartig in Denny´s schmächtigen Oberkörper. Gleichzeitig biss das Tier in seinen Hals und riss ein großes Stück Fleisch heraus.
Mein geliebter Bruder war sofort tot, doch ich hatte keine Zeit zu Trauern.
Ich saß noch immer am Boden, zusammengekauert an der feuchten Kellerwand.
Langsam kam das Biest auf mich zu, wobei es, scheinbar genüsslich, ein Stück aus dem Hals meines Bruders kaute.
Dasselbe Schauspiel, das ich eben beobachten musste, begann von vorn.
Zuerst stellte es seine Beine um mich herum auf, so dass ich nicht zur Seite hin ausweichen konnte. Dann betrachtete es mich genau und seine Nase näherte sich meinem Gesicht. Ein fauliger Geruch kam aus seinem Rachen. Bis heute finde ich nicht die passenden Worte diesen modrigen Gestank zu beschreiben.
Ich sah dem Tier, das gerade meinen Bruder getötet hatte, direkt in die Augen. Blut tropfte aus seinem Maul auf mein Kinn.
Dann baute es sich vor mir auf und spreizte die Krallen. Ich schloss die Augen.

Ein lauter Knall ließ mich aufschrecken, dann ein grausiges Heulen.
Unter einem Schleier von Tränen sah ich Vater mit einem Gewehr in der Hand.
Das Biest schleppte sich zurück in sein Verließ und Vater schloss schnell hinter ihm die Tür. Dann schaute er auf den toten Körper seines jüngsten Sohnes und ließ sich neben ihm auf die Knie fallen. Die Waffe glitt ihm aus der Hand.
Weinend saß ich noch immer an der gleichen Stelle und schaute auf Vaters Rücken.
„Es tut mir leid“, begann ich zu wimmern.
„Sei ruhig“, schnitt er mir die Worte ab, „wir müssen ihn begraben, draußen im Wald. Danach machen wir die Schweinerei hier weg.“
Ich konnte kaum glauben, was mein Vater da von sich gab. Ihn einfach so im Wald verscharren, ohne ein richtiges Begräbnis?
Doch ich hatte keine Kraft mich gegen ihn aufzulehnen.
Wir wickelten Denny in mehrere Decken und schließlich in einen großen Plastiksack ein. Dann liefen wir eine Weile durch den Wald zu einer abgelegenen Lichtung, wo wir ihn begruben.
Zurück im Haus brauchten wir fast drei Stunden, bis wir den Keller sauber hatten.
Denny´s Blut war überall. Ein wenig war sogar bis an die Decke gespritzt.
Das alles erlebte ich wie durch einen dichten Nebel, als wäre ich gar nicht in meinem Körper und jemand anderes würde meine Arme und Beine lenken.
Spät am Abend rief Vater die Polizei an und meldete ihn vermisst.
Sie gingen davon aus, er wäre weggelaufen und würde bald wieder auftauchen.
Wochen später gaben sie die Suche nach ihm auf und teilten uns mit, wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass Denny tot sei und er nicht mehr wieder käme.
Es war seltsam. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich meinen kleinen Bruder nie wieder sehen würde. Die ganze Zeit über, als die Polizei nach ihm suchte, war ich davon überzeugt, es würde jeden Moment an der Tür klingeln und ein stämmiger Officer würde mir meinen Bruder zurück bringen.
Doch das konnte natürlich nicht geschehen, denn ich wusste, wie es wirklich war. Durch meine Neugier und meinen Stolz hatte ich meinen Bruder getötet und das würde ich mir nie verzeihen.
Auch Vater konnte das nicht. Von diesem Tag an war er nicht mehr dazu in der Lage mir in die Augen zu schauen und sprach nur noch das Nötigste mit mir.

Heute stehe ich am Fenster und schaue meinen Kindern draußen beim Spielen zu. Mein Vater ist vor etwa zwei Jahren gestorben und hat so das Geheimnis an mich weitergegeben, das meine Familie seit über 200 Jahren wie ein Fluch überschattet.
Die Kreatur im Keller kann durch keine Waffe getötet werden, aber auch sie wird älter und schwächer.
Doch bis sie letztlich stirbt, werde ich sicher schon lange unter der Erde liegen und die Bürde an meine Kinder weitergegeben haben.
Ich sehe dabei zu, wie mein Sohn seine kleine Schwester mit einem Wasserschlauch abspritzt. Sie sehen glücklich und ausgelassen aus, doch ich bin mir sicher, in der Nacht hören sie ebenfalls das Pochen und liegen ängstlich, aber neugierig wach.
Und so hoffe ich jeden Tag, dass sie nicht denselben Fehler machen wie ich damals und diese Tür erst öffnen, wenn sie dafür bereit sind.

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 Die geschlossene Tür

Für uns Jungs gehörte es damals, Anfang der Siebziger, schon zu unserem Alltag, nackt durch den Garten meiner Eltern zu springen und lachend zu versuchen, den eiskalten Strahlen der Rasensprenganlage auszuweichen.
Unsere Eltern waren der Freikörperkultur angetan, und daher war diese Tatsache nichts Außergewöhnliches. Bis zu jenem Tag, an dem wir Adam Krüger im Nachbargarten entdeckten.

Die Krügers waren vor nicht ganz einer Woche in das leerstehende Zechenhaus neben dem Haus meiner Eltern gezogen, und es vergingen lediglich zwei Tage, bis mehrere Männer, die wir hier im Ort noch nie zuvor gesehen hatten, einen mannshohen Bretterzaun zwischen unseren Grundstücken errichteten.
Ich kann mich noch wie heute daran erinnern, wie Mama und Papa an der Tür zum Hinterhof gestanden und den Kopf geschüttelt hatten. Niemand von den Krügers stellte sich bei uns oder einem anderen in der Straße vor, kein nachbarschaftliches „Hallo!“, und erst recht keine Erklärung für diesen Zaun.

Das jetzige Krüger-Grundstück, mit seinem verwilderten Garten und den gewaltigen Tannen, hatte uns Kindern immer als Gelände für die schönsten Piraten- und Indianerspiele gedient, und somit war die Enttäuschung natürlich groß, als es hieß, es zöge jemand dort ein. Und als dann auch noch dieser Zaun entstand, da war es, als vertriebe uns jemand aus einem Land, das wir vor langer Zeit einmal erobert hatten.
Wir versuchten des Öfteren, eine Stelle im Holzzaun zu finden, durch die wir in den Krügergarten lugen konnten, aber das Ding war so dicht wie eine hermetisch abgeriegelte Betonmauer.

Doch dann kam der Tag, an dem Rudi einen kleinen Plastikkoffer mitbrachte, auf dem ein grinsender Kerl mit Latzhose und einer Säge in der einen, einen Schraubendreher in der anderen Hand, abgebildet war.
Wieder einmal war es hochsommerlich heiß, und das stetige Tackern des Rasensprengers bildete beinahe eine beruhigende Symphonie mit dem gelegentlichen Zirpen der Grashüpfer.
Peter und ich saßen, ausnahmsweise einmal mit einer Badehose bekleidet, auf einer grauen Decke vor einer Landschaft aus Matchboxautos, von denen ich einige zu meinem zehnten Geburtstag zwei Tage zuvor bekommen hatte.
Wir blickten auf, als Rudi mit hochrotem Kopf von seinem klapprigen Rad sprang und „Hey, Leute!“ schrie.
Ich hob die Brauen, als er mit diesem seltsamen Koffer mit dem grinsenden Kerl darauf zu uns rüberrannte und sein dicker Bauch unter dem viel zu kurzen T-Shirt hervorschwappte.
Wortlos schob er ein paar Matchboxautos beiseite, ließ sich auf die Decke fallen und legte den Koffer zwischen uns.
„Was is’ das denn?“, fragte Peter, während Rudi ihn schelmisch angrinste.
„Damit werden wir uns einen Spion bauen!“
Als keiner von uns etwas erwiderte, öffnete Rudi sein Präsent. Zum Vorschein kam ein Plastikfach mit einem Handbohrer, einer kleinen Säge, einem Schraubendreher und einem Zollstock.
„Wow!“, sagte ich. „Wo hast ’n das her?“
„Mein Alter hat’s vom Flohmarkt. Und, was sagt ihr?“
Weder Peter noch ich trauten uns, die Utensilien zu berühren. „Was hast du damit vor?“, wollte Peter nach einer Weile wissen.
„Hab ich doch gesagt, wir bauen ’nen Spion.“ Er deutete auf den weißen Holzzaun. „Woll’n doch mal sehen, was da so Geheimnisvolles hinter ist.“
Ich grinste über beide Ohren. „Rudi, du bist spitze“, sagte ich ehrfurchtsvoll.

Es dauerte scheinbar ewig, bis Rudi mit Hilfe des viel zu kleinen Handbohrers einen perforierten Kreis von der Größe eines Colaflaschenbodens in eines der Holzbretter gebohrt hatte. Ich versuchte daraufhin die winzigen Zwischenräume mit dem Schraubendreher herauszubrechen, während mir der Schweiß den Rücken hinunterlief.
Wir hatten uns für unsere Arbeit eine Stelle ausgesucht, die etwas abseits hinter einem dichten Rhododendronbusch gelegen war, um nicht Gefahr zu laufen, von Mutter durch das Küchenfenster entdeckt zu werden.

Endlich war es geschafft, und es gab den ersten Streit, wer von uns zuerst hindurchgucken durfte. Wir einigten uns auf Rudi, da er das entsprechende Werkzeug mitgebracht hatte, woraufhin ich mich ein wenig murrend zur Seite stellte, da es sich ja immerhin um den Garten meiner Eltern handelte.
„Und?“, fragte ich mit verschränkten Armen vor der Brust. „Was siehste?“
Zunächst antwortete nur Rudis Keuchen. Ich blickte auf seinen von der Sonne geröteten, dicken Nacken, während sein Körper einen undefinierbaren Geruch ausströmte, der mich irgendwie an Schlaf erinnerte.
„Da sitzt einer“, sagte er leise ohne sich umzudrehen.
Meinen plötzlich ansteigenden Herzschlag konnte ich nur auf die innere Anspannung zurückführen, schließlich war es logisch, dass wir über kurz oder lang dort drüben jemanden gesehen hätten.
„Lass mich jetzt auch mal!“ Peter drängte Rudis massigen Körper zur Seite und bückte sich, um durch das Loch zu blicken. „Wow“, entfuhr es ihm. Er drehte sich um. „Mensch, Rudi, dagegen bist du ja ’ne Bohnenstange.“ Er lachte leise, blickte noch einmal hindurch. „Was für ’n Schlachtschiff.“
Endlich war ich an der Reihe. Ich versuchte, mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen, doch sah ich, dass meine Finger leicht zitterten, als ich mein Gesicht vor der Sonne abschirmte.
Unser ehemaliger Piratengarten wirkte um einiges gepflegter als ich ihn in Erinnerung hatte, der größte Teil der Bäume und Sträucher war verschwunden, das Gras frisch gemäht. Ein seltsam aussehender Vogel hockte auf einer Holzbank und in wenigen Metern Abstand davor ein nackter Junge.
Er saß mit dem Rücken zum Zaun auf der Wiese, und sein gewaltiger Leib wirkte wie ein Gebirge aus gebleichtem Fleisch.
Der im Gegensatz zum Körper klein wirkende Kopf war mit einem hellblonden Schopf bedeckt, der an die verschwitzten Locken eines Babys erinnerte. Auf dem Fleischberg zeigten sich bereits die ersten Auswirkungen der Sonnenstrahlen, die sich in einem sanften Rosa an einigen Stellen äußerten. Ich schluckte; noch nie zuvor hatte ich einen derart dicken Jungen gesehen.
„Was tut er?“ Rudis Frage ließ mich zusammenzucken.
Ja, was tat er eigentlich? Ich versuchte, genauer hinzusehen, doch waren da nur die sich sanft auf und ab bewegenden Fleischmassen seines Rückens. Die Hände selbst konnte ich nicht ausmachen.
„Was tut er?“, fragte Rudi erneut.
„Ich kann es nicht erkennen.“
Jetzt zuckte der Rücken und ein leises Kichern kroch zu uns herüber. Ich schreckte zurück und hockte mich neben den Zaun.
„Was war?“, keuchte Peter.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube, er hat gelacht.“
Rudi und Peter starrten mich fragend an. „Na und?“
Ich versuchte zu lächeln, als mir die Peinlichkeit meiner Überreaktion bewusst wurde. Gerade wollte ich erneut durchblicken, als Peter bereits sein Gesicht abschirmte.
„Scheiße“, murmelte er. „Der Fettsack ist weg.“
Jetzt drängte ich mich ans Loch und tatsächlich. Da, wo noch vor Sekunden ein nackter Junge gigantischen Ausmaßes hockte, war nur noch das platt gesessene Gras zu erkennen. Ich ließ den Blick schweifen, doch konnte ich durch den eingeschränkten Winkel lediglich einen Teil des Gartens ausmachen. Und da war er nicht. Der Vogel, der auf der Bank gesessen hatte, flog davon, und nur noch das rhythmische Tackern des Rasensprengers hinter meinem Rücken war zu hören.
Ich wollte mich gerade wieder umdrehen, als etwas in meinen Augen blitzte. Irgendetwas glänzte auf dem platten Gras in der Sonne.
Ich versuchte zu erkennen, um was es sich handelte, doch je nach Blickwinkel war es entweder verschwunden oder so hell, dass es in den Augen schmerzte.
„Da liegt was auf der Wiese“, sagte ich, als ich mich umdrehte.
Rudi schob sich vor. „Sieht aus wie Brei“, sagte er nach einer Weile.
Peter sah mich belustigt an. „Brei?“
„Ja, irgendwas Flüssiges.“ Er drehte sich zu uns um. „Könnte auch Blut sein.“
Und genau in diesem Moment manifestierte sich ein Gedanke in mir: Wir mussten da rüber!

* * *

„Bist du bescheuert?“ Peter schüttelte den Kopf. „Was, wenn uns einer erwischt.“
„Ja, zum Beispiel der Fettsack“, mischte sich Rudi ein und zog das T-Shirt über seinen dicken Bauch.
„Wir warten einfach, bis die Krügers weg sind. Irgendwann müssen sie ja mal wegfahren.“
„Vielleicht sind sie ja auch noch weg“, rief Rudi aufgeregt. „Als ich vorhin kam, war das Auto nicht da.“
Wir überprüften Rudis Aussage, und tatsächlich stand der rote VW-Käfer der Krügers nicht in der Einfahrt.
„Was ist mit dem Dicken?“, fragte Rudi.
„Wenn er kommt, hauen wir einfach ab“, sagte ich. „Bis der seine Massen in Bewegung gesetzt hat, sind wir längst wieder raus.“
Peter lachte und boxte Rudi auf den Oberarm.
„Arschloch“, sagte dieser.
„Los, kommt. Ich will wissen, was da auf dem Gras liegt.“
Peter sah mich an. „Was, wenn sie wiederkommen?“
„Hm …“ Er hatte Recht. Ich überlegte kurz. „Rudi, du bleibst hier. Und wenn du den Wagen die Straße raufkommen siehst, pfeifst du zweimal.“
„Ich will aber auch da rein.“
„Willst du etwa, dass sie uns alle erwischen?“
„Nee.“
„Na also.“ Ich schlug Peter auf die Schulter, und wir gingen durch das kleine Gartentor, während Rudi hinter unserem Rücken schmollte.

Der Weg führte am Haus vorbei in Richtung Garten, und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass es hier kälter war, als noch vor dem Tor.
„Scheiße, ist das kalt hier“, sagte Peter wie zur Bestätigung.
Kurz darauf hatten wir das Ende des Hauses erreicht. Der Garten lag direkt vor uns, und vorsichtig sahen wir um die Hausecke.
Ich rechnete jederzeit damit, in das plötzlich auftauchende Gesicht des dicken Jungen zu blicken, und die Haut in meinem Nacken zog sich zusammen.
Von hier aus konnte ich die Stelle, an der er gesessen hatte, nicht erkennen, da ein vertrockneter Busch die Sicht versperrte.
„Soll’n wir wirklich da rein?“ Peters Stimme war so leise, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen.
„Ich geh rein“, sagte ich ebenso leise. „Wenn du willst, kannste ja hier warten.“ Innerlich hoffte ich, dass er es nicht tun würde, denn so ganz wohl war auch mir nicht bei der Sache.
„Mit gefangen, mit gehangen“, murmelte er nur.

Gebückt rannten wir zu einem dicken Strauch, der uns auch früher bei unseren Piratenspielen immer als Versteck gedient hatte, und warfen uns in seinem Schatten auf den Boden.
„Scheiße, dass sie so viele Bäume weggemacht haben“, zischte Peter.
Innerlich stimmte ich ihm zu, wenn ich auf die weitläufige Rasenfläche zwischen uns und der Holzbank blickte, auf der vorhin der Vogel gesessen hatte.
„Meinst du, der Fettsack ist im Haus?“ Peter deutete auf das weiß getünchte Krüger-Haus.
Ich sah eine Tür, die einen Spalt breit offen stand, ein winziges, vergittertes Fenster daneben.
„Wenn er kommt, teilen wir uns auf. Du rennst rechts, ich links an ihm vorbei. Und jetzt will ich wissen, was er da drüben gemacht hat.“
Ich ging in die Hocke, sah noch einmal zurück zum Haus – hatte sich die Tür gerade bewegt? – dann rannte ich los, gebückt wie ein alter Indianer, hinüber zum vertrockneten Busch in der Nähe der Bank. Peter folgte.
Von hier aus war der untere Teil des Hauses nicht mehr zu sehen, doch sah ich stattdessen, was da vor der Bank im Gras glänzte.
Langsam gingen wir näher heran.
Peter schob mich beiseite. „Ist das ein Anspitzer?“
Ich nickte, doch viel mehr erschreckte mich das, was drum herum das Gras bedeckte.
„Rudi hatte Recht“, flüsterte Peter. „Da ist Blut.“

Ein Knall weit hinter uns ließ Peter und mich gleichzeitig aufschreien. Geistesgegenwärtig sprangen wir zurück hinter den vertrockneten Busch.
Ich spürte, wie Tränen in meinen Augen entstanden, hatte das unbändige Bedürfnis, auf der Stelle loszuheulen. Wenn ich jetzt allein gewesen wäre, hätte ich nach meiner Mutter gerufen. Warum war ich nicht allein?
Ich sah Peter an, der mit roten Wangen durch das Gebüsch hindurch auf das Haus starrte. „Es war die Tür.“ Er blickte nicht auf. „Sie ist jetzt zu.“
„Lass uns abhauen.“ Ich wartete Peters Reaktion nicht ab und rannte los, sah das Haus, das immer näher kam, den Weg, über den wir vor Minuten gekommen waren und auf dem es kälter war, als vor dem Haus selbst.
Kurz bevor ich den Weg erreichte, griff jemand nach meiner Schulter und riss mich herum. Erneut wollte ich schreien, doch dann erkannte ich Peter, der seinen Finger vor den Mund hielt und mich wieder Richtung Gebüsch zog.
„Es war nur die Tür“, sagte er leise, als wir hinter dem Strauch in Deckung gegangen waren.
„Aber vielleicht ist er rausgekommen“, wimmerte ich.
„Siehst du ihn irgendwo?“
Hektisch sah ich mich um. Peter hatte Recht, der Dicke war nirgends zu sehen. „Ja und“, sagte ich. „Wir haben alles gesehen, was wir wollten.“
„Aber was ist mit dem ganzen Blut?“
„Vielleicht hat er sich mit dem Anspitzer seinen Pimmel eingeritzt.“
Peter grinste. „Dann muss der ja ziemlich klein sein.“
Jetzt schmunzelte auch ich, und langsam kroch die Panik aus meinem Körper heraus, um irgendwo, weit weg zu verschwinden.
„Und, was hast du vor?“
Peter schien zu überlegen. „Mich würd’ interessieren, wie’s da drin aussieht.“ Wieder grinste er.
„Du spinnst.“ Er grinste weiter. „Du willst nicht wirklich da rein?“
„Schiss?“
Ich überlegte. Klar hatte ich Schiss, vermutlich hatte ich mir bereits in die Hose gemacht, als vorhin die Tür zugeschlagen war.
„Also, ich geh rein. Kannst ja hier warten.“ Er stand auf.
„Sollten wir nicht Rudi Bescheid sagen?“
Peter winkte ab. „Der ist bestimmt schon abgehauen. Also, kommste mit oder nicht?“
Ich hatte auf einmal das Gefühl, als würde einer von mir verlangen, von einem hohen Baum in einen Stacheldrahtzaun zu springen. Langsam stand ich auf. „Okay, geh’n wir.“

Vor der Tür überkam mich wieder diese Kälte; sie schien vom Haus selbst zu kommen. Vorsichtig berührte ich den Stein und zuckte erschrocken zurück. Tatsächlich war die Wand eiskalt.
Peter tastete unterdessen über die Tür, deren dunkler Lack an den meisten Stellen abblätterte und wie geborstene Hautlappen herabhing. Peter berührte den Knauf, rüttelte vorsichtig daran.
„Lass es lieber sein“, krächzte ich. Die Gewissheit, dass unser Handeln falsch war, schien mich in diesem Moment ersticken zu wollen. Ich keuchte, sog pfeifend die Luft ein. „Es ist doch egal, was er gemacht hat.“ Ich wusste nicht, ob Peter mich überhaupt gehört hatte.
„Sieh dir das hier mal an.“ Er deutete auf den Boden vor der Tür.
Als ich seinem Blick folgte, entdeckte auch ich die winzigen roten Tropfen neben ein paar herabgefallenen Lackresten.
„Mit Sicherheit ist er hier rein“, sagte Peter.
Ich wollte es gar nicht mehr wissen.
Peter drückte an der Tür, und als sie aufsprang, spürte ich ein heißes Pulsieren in meinen Waden, welches in meine Blase schoss und sich dort rasend schnell ausbreitete. Ich merkte, dass mein Mund offen stand, merkte den feuchten Tropfen, der sich einen Weg über meine Lippe bahnte, als Peter die Tür weiter aufschob.
„Oh, mein Gott“, wimmerte ich. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals solche Angst gehabt zu haben.
Immer fester presste ich mich mit der Schulter gegen die Wand des Hauses, die Kälte machte meine Haut taub, doch gab sie mir auch eine Art Sicherheit vor dem, was da hinter der Tür hauste.
Ein Poltern schlug uns entgegen, Peter blickte erschrocken zu mir herüber. Und dann ging alles rasend schnell.

Noch heute sehe ich in jedem meiner Träume Peters Gesicht, seinen Blick – fragend? – entsetzt, als die fleischige Hand aus dem Türspalt hervorschoss und sich blitzartig um den Hals meines Freundes krallte. Ich sehe die zu einer blutigen Spitze geformten Fingerkuppen ohne Nägel, ohne Haut. Nur die grauen Knochen. Ich sehe den glänzenden Anspitzer im Gras liegen – „Vielleicht hat er sich seinen Pimmel eingeritzt“ – Nein, es war nicht der Pimmel! – sehe das Blut, das an einem Grashalm herabrinnt.
Ich glaube, Peter wollte noch etwas rufen, als er im gleichen Moment durch die Tür ins Innere gerissen wurde. Der dumpfe Knall der zuschlagenden Tür ließ Lackreste wie winzige Papierflieger zu Boden rieseln.

* * *

Niemals wieder habe ich den Garten der Krügers betreten, niemals habe ich einen von ihnen gesehen, und so wurde auch das Geheimnis um Adam Krüger niemals aufgeklärt.
Die Polizei hatte das Haus durchsucht, doch fanden sie nicht den geringsten Hinweis auf Peter. Noch Wochen später grinste mich sein Foto, welches ihn mit einem spitzen Hütchen bei seinem neunten Geburtstag zeigte, auf unzähligen Plakaten an.
Seine Familie zog noch im selben Jahr von hier fort, und irgendwann verschwanden auch die Plakate.
Die Krügers packten ebenfalls etwa ein Jahr später ihre Sachen. Man munkelte, ihr Sohn sei schwer erkrankt und müsse in einer speziellen Klinik behandelt werden. Ein halbes Jahr nach ihrem Auszug wurde das alte Krüger-Haus abgerissen, um Platz für die erste U-Bahn-Trasse, die durch unseren kleinen Vorort ging, zu schaffen.

Jetzt, fast vierzig Jahre später, stehe ich hier am Grab meines alten Freundes Rudolf. Wir hatten den Kontakt zueinander nie ganz abgebrochen, doch beschränkte er sich in den letzten Jahren auf sporadische Telefongespräche in unregelmäßigen Abständen.
Was damals genau an der Gartentür des Krügerhauses geschah, habe ich ihm nie erzählt. Ich glaube, er wollte es auch gar nicht wissen. Er hatte einfach hingenommen, dass einer seiner Freunde nicht mehr da war.
Als ich ihn sehr viel später einmal darauf ansprechen wollte, sagte er nur: „Mein lieber Freund, ich denke, nicht jede Frage muss beantwortet werden.“ Und dabei war es geblieben.
Auch ich habe inzwischen gelernt, dass manche Türen einfach geschlossen bleiben sollten …

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                          Die Reise ins Ich

„Unverhofft kommt oft“, dachte sich Tom als ein Blinken auf dem Desktop seines Computerbildschirms mit unbestimmter Dringlichkeit seine Aufmerksamkeit an sich zog. Sein Instantmessenger, eine unter Haufen neumodischer, multi-funktionaler Chatprogramme altbewährte Anwendung, hatte ihn mit einem blinkenden, neuen Nachrichtenfenster überrascht. Nun fixierten seine Pupillen beinahe magnetisch dieses Fenster. In der Statuszeile war der Spitzname des Gegenübers für Tom zwar lesbar, aber ergab keineswegs sinnhafte Zusammenhänge – er kannte die Person, die sich dahinter verbarg noch nicht. In den Jahren seiner Internetkarriere als Hobbysurfer hatte er mit der Zeit gelernt, dass solche Gespräche in der Regel nach ein und demselben Schema abliefen. Er selbst hatte immer sehr gerne und sehr viel geschrieben, wurde jedoch nur äußerst selten dafür belohnt; andere Leute fingen ein Gespräch mit ihm an, und erwarteten dann, unterhalten zu werden.
„Nicht schon wieder“, kam Tom eine gedankliche Schranke zu Hilfe. Just als er im Begriff gewesen war, das Nachrichtenfenster eines kurzen Blickes zu würdigen und es danach halbautomatisch, mit zielstrebiger Willkür wieder von seinem Desktop zu entfernen, geschah etwas wider die Statistik. Die Person, die ihm dort virtuell zum ersten Mal begegnete, war nicht wie viele der anderen vorher: Sie war bereits über das begrüßende „Hallo.“ hinaus und hatte Tom eine äußerst simple und dazu noch alltägliche Frage gestellt. Eine Floskel? – Tom war mit der Zeit sehr skeptisch geworden, was Internetbekanntschaften anging.
„Wie geht es Dir?“, stand in schwarzen Lettern vor dem weißen Hintergrund des Chatfensters geschrieben.
Tom tippte als Antwort ein „Mir geht es gut.“ in die Tastatur, als bereits die nächste Nachricht eintrudelte. Er geriet ins Hintertreffen.
„Du kommst aus der Gegend um Köln, ja?“, frug die Unbekannte.
„Ja, ich bin aus der Gegend, richtig, aber gebürtig stamme ich von woanders. Wie geht es Dir?“, erwiderte er schließlich mit ein bisschen Verspätung ihre Frage.
„Danke mir geht es auch gut. Du musst wissen“, schrieb sie, „ich komme auch ganz aus der Nähe.“ Das Gespräch nahm unverhofft den Weg von anfänglichem Smalltalk und entwickelte sich zusehends auf eine tiefere und intimere Ebene. Nach gut einer Stunde intensiveren Schreibens hatte Tom Einiges über sein Gegenüber in Erfahrung bringen können. Sie war 25 – er würde es bald sein; sie hatte eine Vorliebe für distinguierte Konversation – er hatte immer jemanden gesucht, mit dem er sich über mehr als nur Alltägliches hätte austauschen können. Leute mit Ideen, die nicht nur im Hier und Heute situiert sind, sondern etwas verändern wollten. Sie war ungefähr so groß wie er, sie trug langes, wallendes, hellbraunes Haar, das, zusammen mit ihren azurblauen Augen, einen lebendigen und interessanten Kontrast zu der vornehmen Blässe ihrer Haut bildete. In solchen Internetgesprächen ist es nicht unüblich Fotos voneinander auszutauschen; Tom war zeitlebens jemand gewesen, der hauptsächlich sehenden Auges durch die Welt gegangen war, der überall besonders optische Reize aufnahm. Das Wort Reiz hatte dabei immer schon mehr als nur eine einfache Bedeutung gehabt. Besonders gern nahm Tom das andere Geschlecht optisch wahr. Er mochte die Schönheit, vieler, intensiver Augenblicke, die er während des ersten Viertels seiner Vita empfangen hatte. Ein wohlbehüteter Reichtum aus Erinnerungen, den er sich immer wieder vor sein geistiges Auge rufen konnte.
„Bist du noch da?“, las er im Chatfenster. Er hatte sich von seinen Gedanken treiben lassen, wie das Darwinsche Treibholz den Vogel vor Galapagos getrieben hatte. Tom hatte die Zeit vergessen und nicht mehr auf die letzten Zeilen seines Gegenübers geantwortet. Er hatte bis hierhin etliche Informationen erhalten, nur mit ihrem Namen hatte sie noch nicht vor ihm kokettiert – zumindest war es ihm so vorgekommen, dass alles, was sie ihm schrieb, irgendwie dazu gedacht war, ihn in seinen Bann zu ziehen. Sie schrieb so viele schöne Dinge, auf die Tom merkwürdig willkürlich anspringen musste. Es wäre ein Zufall von ungeahnten Ausmaßen, wenn diese Person einfach nur die Lücken auffüllen würde, die das Leben bislang noch nicht hatte schließen wollen.
„Ja, entschuldige. Ich war etwas in Gedanken. Sag, wie heißt Du? Oder magst du mir das nicht verraten?“
„Doch, aber alles mit der Zeit.“
Tom wollte, wie es der Antrieb seines Studiums ihm gebot, diesen Satz korrigieren, hielt sich gegenüber dieser sympathischen Person jedoch zurück.
„Du willst wissen, welchen Namen ich trage? Warum?“
„Nun, damit sich das Unheimliche zwischen uns in Luft auflöst und du kein Geist bleiben musst, der mir nicht fassbar wird.“
„Also dann: Ich heiße Sandrine.“
„Kommst du aus Frankreich? Oder spricht in deiner Familie jemand Französisch, dass sie dir diesen Namen gegeben haben?“, wollte Tom seine sukzessive größer werdende Neugier befriedigen.
„Bien sûr!“, erwiderte Sandrine auf seine Frage. „Aber gewiss doch. Ich spreche Französisch und ja, meine Mutter kommt aus Frankreich.“
„Je parle un petit peut de francais.“ schrieb Tom zurück und freute sich sehr, dass Sandrine über einen französischen Hintergrund verfügte. Er konnte nicht erklären warum, aber es stimmte ihn freudig. Eine weitere Stunde verging, in der Sandrine Tom vollkommen um den Finger wickelte. Er fühlte sich so bekannt mit dieser Person, obgleich er sie erst vor gut hundertzwanzig Minuten kennen gelernt hatte. Alles was sie schrieb gefiel ihm auf irgendeine Weise. Es gab noch keinen Punkt, an dem er sich reiben konnte oder hätte reiben wollen und trotzdem wurde es den beiden nicht langweilig. Im Gegenteil, die Situation geriet in Wallung. Angesteckt durch ein Versprechen Sandrines, sie wolle ihm helfen sein Französisch auszubauen, und dies nicht nur auf rein sprachlicher Ebene, brachen in Toms Fantasie die Dämme. Ekstatische Fluten überschwemmten seine Gedankengänge. Das Gespräch zwischen ihm und ihr entwickelte sich rasant auf eine Klimax zu, die zu Beginn ihrer Unterredung wohl niemand erwartet hätte. Erotische Phrasen wechselten den Standort, standen am Ende in beiden Chatfenstern geschrieben und dokumentierten die ungewöhnlichste und zugleich intensivste Beziehung, die Tom jemals zu einer Person eingegangen war. Für diesen Augenblick hatte er alles andere vergessen und sich ganz auf sich selbst und Sandrine konzentriert. Es gab nur sie und ihn.
Es war schon später am Abend, als Sandrine sich von Tom verabschiedete. „Mach’s gut.“, schrieb sie. „Ich muss jetzt leider weg.“
„…leider…“ hatte sie geschrieben. Das ließ ihn annehmen, dass sie sich auf ein Wiedersehen freute. Er wünschte ihr alles Liebe und wollte noch den Gedanken äußern, sie wieder zu sehen, als Sandrines Status bereits als nicht mehr aktiv (offline) angezeigt wurde. Tom sortierte sich und seine Gedanken – er hatte außerdem seine Kleider zu sortieren. Das Sperma in seiner Hose erinnerte ihn an etwas, dass er zuvor noch nicht erlebt hatte, und das in der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung Cybersex firmierte.
Sandrine hatte Tom Honig um den Mund geschmiert und ihn neugierig in eine Falle tappen lassen, seinen wunden Punkt getroffen. Oder sie hatte für einen Abend lang all die leeren Stellen in Toms Sein auszufüllen vermocht, die zuvor nur seine frühere beste Freundin auszufüllen in der Lage gewesen war, weil er eine derartig offene Intimität nirgendwo anders hatte finden können als bei ihr… „und Sandrine“, dachte Tom den Gedanken zu Ende.
Er sah sie danach nie wieder. Sie hatte ihn mit seinen Sehnsüchten alleine gelassen. Aber Sandrine hatte ihn auf eine Reise in sein Innerstes geschickt, Gedanken angestoßen, die lange liegen geblieben waren; er hatte in der gleichen Nacht noch seine Freundin getroffen und versucht sich so normal als möglich zu verhalten.

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Schlaf mit mir



LH 4435 Adam 11.45.Schlaf mit mir!
Lars starrte auf sein Handy, welches wie von Zauberhand plötzlich diese Nachricht zeigte. Er hatte kurz nach der Landung sein Handy angeschaltet gehabt. Die Meldung kam jedoch erst eine ganze Zeit später als er mit seinem kleinen Koffer in der Halle D des Terminals 2 auf dem Weg zum Ausgang war.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, welches zuvor geschäftsmäßig wie viele der Mitflieger aus Boston ausgesehen hatte. Er schob seinen über dem linken Arm hängenden Trenchcoat beiseite, um auf seine Uhr zu schauen. Jetzt war es 11.20 Uhr.
Ob sie pünktlich landete? Er blickte sich um. Stand schon etwas auf der Anzeigetafel, die ein Stückchen weiter dabei war neue Daten Zeile um Zeile runterzurattern? Als Lars nah genug heran gekommen war, um nach dem Flug LH 4435 zu suchen, stand dieser tatsächlich mit der von ihr angegebenen Ankunftszeit auf der Tafel.
Gut, sehr gut, befand Lars und wenn man ihn genauer beobachtet hätte, wäre ein leichtes Kopfnicken aufgefallen. Terminal 1 Halle A, entzifferte er am Ende der Zeile und zögerte kurz, ob er den Shuttlebus nehmen sollte, beschloß dann aber zu Fuß zu gehen.
Kann nicht schaden, wenn ich mich bewege und frische Luft tanke, dachte er und trat durch die Glastür hinaus in einen feuchten Luftzug. Draußen schlüpfte er in den Trenchcoat. Dann nahm er sein Handy und wählte.
Hallo, Frau Stegmann? Geben Sie mir bitte meine Frau.
Hallo Inge, ich wollte kurz Bescheid geben, ich bin jetzt in Frankfurt und werde dann gegen Abend nach Zürich weiterfliegen. Wie sieht es bei dir aus? Alles ok?
Er lauschte eine Weile während er sich so drehte, dass die Windbö, die seinen Trenchcoat erfaßte und wie ein loses Segel flattern ließ, ihm den Stoff an den Körper drückte.
Gut, dann bis übermorgen, verabschiedete er sich nach einer Weile und drückte den Oberkörper schräg gegen den Wind während er auf den Terminal 1 zuschritt.
Dort angekommen suchte er sich nahe der Halle A einen Platz an einem der Erfrischungsstände und bestellte ein Wasser. Er blickte auf seine Armbanduhr.
Noch 10 Minuten bis zur Landung. Aber dann ist sie noch nicht in der Halle, dachte er nach, am besten ich gehe gegen 11.50 Uhr zum Ankunftsbereich, das müßte reichen.
Er stellte seinen Koffer zwischen seine Beine, trank noch ein paar Schluck und lehnte sich dann mit geschlossenen Augen zurück.
Endlich klappt es, dachte er und er spürte wie sich Wärme in ihm ausbreitete, vier Wochen ist es her, dass wir zusammen waren, und er atmete tief ein und vor seinen Augen sah er eine aus der Ferne fröhlich winkende forschen Schrittes drauflos eilende Frau auf sich zukommen. Er lächelte.
Wie schön sie war, wenn ihre blonden Haare mit ihren Schritten locker mitwippten und sich ihr Mund zu diesem süffisanten leicht ironischen Lächeln verzog. Und jedesmal dachte er, dass sie in ihrem schwarzen Hosenanzug oder blauem Kostüm aussehe wie eine erfolgreiche Immobilienverkäuferin. Das Wort Maklerin hatte sie ihm abgewöhnt. Und er erinnerte sich an all die kleinen neckenden Wortgeplänkel und wie sie ihn endlich dazu gebracht hatte, die Bezeichnung Maklerin nicht mehr zu verwenden. Das klänge anrüchig, hatte sie gemeint und er hatte erwidert, dass er das nicht so sehe, aber in manchen Dingen war sie von bezaubernder Dickköpfigkeit und es brachte ihm Spaß sie zu beobachten, wenn sie sich über etwas aufregte und sein Lächeln verwandelte sich in ein Schmunzeln.
Ihm war als könnte er ihr Parfüm riechen, diese herbe leicht zimtige Note, die übrig blieb, wenn das frische Citron verflogen war und er öffnete rasch seine Augen, um zu prüfen, ob sie nicht wie durch ein Wunder schon neben ihm stand.
Er blickte auf die Uhr, noch 10 Minuten, wenn alles klappt, kann ich sie in meine Arme schließen und an ihrem Ohrläppchen riechen.
Sein Herz pochte schneller und er schloß seine Augen.
Wie lange kannte er sie, grübelte er, drei Jahre? Vier Jahre? Ihre erste Begegnung, damals im Flugzeug, als sie nebeneinander saßen, zunächst plauderten, um sich gegenseitig die Langeweile zu vertreiben. Dann wurden ihre Gespräche ernster und bekennender und am Ende dieses Fluges hatte er trocken bemerkt, dass er ihr mehr von sich erzählt hatte als seiner Frau in den ganzen Ehejahren. So hatte es angefangen und nach all den Jahren verband sie eine innigvertraute Magie.
Er beschloß loszugehen, als sein Handy läutete. Mit einem Blick auf sein Handy, was sofort ein breites Lächeln bei ihm hervorrief, drückte er die Empfangstaste und sagte: Hallo Liebchen, weiter kam er nicht,
Hallo Lars, ich stehe hier wie eine Piksieben am Laufband, weiß der Henker wieso die unser Gepäck nicht reinschicken, so ein Mist, wo steckst du grad?
Beruhige dich, das Gepäck wird schon kommen und wir haben Zeit, ich bin ein paar Meter von dir entfernt und erwarte dich mein Liebchen.
Oh gut, dann hat das geklappt, ach, das ist schön, Lars. Hast du uns schon ein Hotelzimmer besorgt?
Nein, ich dachte wir gehen gleich rüber ins Sheraton, die haben meistens ein Zimmer, auch ohne Reservierung.
Ok, versuchen wir es. Wann mußt du fort, Lars?
Ich fliege heute mit der letzten Maschine nach Zürich, ich glaube gegen acht. Und wie sieht es bei dir aus?
Warte, das Gepäck kommt grad, ich mach Schluß, bis gleich, Lars.
Ein paar elend lange Minuten später, die ihm vorkamen wie ein langezogenes Gummiband, das sich weigerte endlich zu reißen, kam sie mit hastigen Schritten auf ihn zu, einen widerspenstig rollenden Koffer hinter sich her zerrend. Sie strahlte als sie ihn entdeckte und wie so oft fiel ihm auf, dass sie eine Brille tragen sollte, denn er fand sie hätte ihn viel früher sehen und mit ihrem freudigen Winken begrüßen können. Er zog sie dicht an sich heran, hauchte ihr Küsschen auf die Wangen und sie lächelte strahlend, nachdem er in ihr Ohr:Wie schön, dich endlich hautnah bei mir zu haben, geflüstert hatte.
Sie strebten zügig dem gleich nebenan liegenden Hotel zu, mieteten ein Zimmer für eine Nacht und standen beide sich tief in die Augen blickend im Fahrstuhl, auf dem Weg zum dritten Stock.
Sag, Lars, wenn du heute nochmals nach Zürich fliegst, habt ihr also noch Probleme mit der Schweizer Holding? ,meinte sie nachdenklich. Er lächelte milde. Liebes, laß uns unsere Sorgen vor der Zimmertür abstellen.
Beschämt, als habe man sie bei einer ganz dummen Äußerung ertappt, blickte sie ihn an und sagte nickend:
Ok, aber gestatte mir, dass ich kurz meine Familie anrufe und ihr mitteile, für ein paar Stunden in Amsterdam festgehalten zu sein.
Ich wünschte, wir müßten unsere Ehepartner nicht belügen ,sagte er und seine Stimme klang traurig. Er ergriff ihre Hände.

Im Zimmer, nachdem sie ihre Kostümjacke über einen Sessel geworfen und in Windeseile ihre Schuhe von den Füßen gestriffen hatte, zog er sie dicht heran und sagte leise:
Liebchen, endlich kann ich dich begrüßen. Er küßte sie zart auf ihren noch geschlossenen Mund, wobei er ihren Kopf sanft in seinen Händen barg. Sie hatte die Augen geschlossen und ließ sich von ihm führen, erwiderte seinen Kuß, zunächst vorsichtig, wanderte sie mit ihren Lippen behutsam in winzigen Schritten an seinen Lippen entlang, um dann wie die stürmische See durch eine berstende Flutmauer mit unzähligen kleinen Küssen auf ihn hereinzubrechen. Ihre Arme umschlangen seinen Rücken und er nahm seine Hände von ihrem Kopf, als ergebe er sich machtlos in ihren Sturm aus Küssen. Dann barg seine Hand ihren Hinterkopf und seine Zunge suchte sich einen Weg zwischen ihren Lippen und ihrem leidenschaftlichen Küssen und drang tief in ihren Mund ein. Als habe er sie damit gebändigt, ergab sie sich mit einem leisen Stöhnen und schmiegte sich noch fester an seinen Körper. Ihre Münder schmolzen zusammen zu einer warmen Feuchte, zu zwei miteinander spielenden Zungen, die sich umkreisten und für ein paar Sekunden in die Unendlichkeit versanken.
Er löste sich von ihr und verharrte ein paar Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt, strich mit seiner Hand über ihre Haare und schaute sie zärtlich an. Die Hitze, die ihre geröteten Wangen ausströmten vermischten sich mit ihrem heißen Atem und für den Bruchteil eines Atemzuges spürte er den Schmerz, sie loslassen zu müssen.
Wollen wir duschen? fragte er.
Ja, sie löste sich aus seiner Umarmung und begann ihre Bluse aufzuknöpfen. Auch er entkleidete sich und als sie beide nackt voreinander standen, zog er sie zu sich heran und sog den Geruch, den ihre Haut ausströmte tief in sich ein.
Geh ruhig schon ins Bad, sagte sie leise, ich rufe schnell zu Hause an. Er nickte.

Er ließ den heißen Wasserstrahl auf seine Schultern prasseln und stand bewegungslos abwartend da. Als sie zu ihm in die Kabine schlüpfte, hatte das heiße Wasser seine Anspannungen von ihm weggespült. Er fühlte sich gelassen und mit ruhigen Bewegungen spritzte er Lotion in seine Handinnenflächen, verteilte diese auf ihren Schultern in kreisenden Bewegungen, wanderte über ihre Brüste, die er liebkosend in seinen Händen barg über ihren Bauch zu ihrem Schamhügel. Sie ließ es mit weit zurückgebogenem Kopf widerstandslos geschehen und genoß voller Vertrauen mit geschlossenen Augen seine Berührungen unter dem Fluß des warmen Wassers. Er zog ihre Hände zu sich heran, so dass sie sich einen kleinen Schritt auf ihn zubewegen mußte und legte sie auf seine Hüften. Sie umschlang ihn, so dicht an ihn gedrängt, dass das von oben herabprasselnde Wasser zwischen ihnen keinen Weg mehr fand und in kleinen plätschernden Stößen seitlich wegspritzte. Sie küßte sein Kinn, er beugte sich leicht herab und seine Zunge schob sich gierig in ihren Mund als wolle er aus ihm trinken. Sie standen unter dem warmen Regen engumschlungen sich leicht hin und herwiegend wie ein einsames letztes Paar auf einer Tanzfläche.
Nach einer Weile lösten sie sich voneinander und stiegen aus der Dusche. Er reichte ihr ein Handtuch und nahm seines, um sie vorsichtig als sei sie zerbrechlich abzutrocknen, was sie mit einem schelmischen Lächeln über sich ergehen ließ und dann damit endete, dass sie ihn mit einem breiten Grinsen abrubbelte. Ihm einen kecken Klaps auf seine Pobacke gebend, huschte sie unter die Bettdecke bevor er seinen Protest mit einer eigenen Handbewegung vollenden konnte.
Als er das Bett erreicht hatte, in das er gerade schlüpfen wollte, sagte sie: Lars, hast du dir den Wecker gestellt? Mein Handy wird mich gegen 18.00 Uhr erinnern und wann mußt du los?
Warte, ich guck mal, er zog aus der Jacketinnentasche einen Flugschein, in welchem er blätterte, ich denke, es reicht, wenn ich gegen 20.00 Uhr losgehe, ich habs nicht weit, meinte er und griff nach seinem Handy, um die Erinnerungsfunktion zu aktivieren.
Möchtest du was trinken, Liebchen?
Nein, ich habe keinen Durst, ziehst du bitte die Vorhänge weiter zu? Er tat es und schlüpfte danach unter die Bettdecke zu ihr. Zog sie sanft zu sich heran, schob ihr Kinn hoch, so dass sie zu ihm aufblicken mußte und küßte sie.
Sie rückte ein Stückchen näher und schmiegte sich an ihn, während er sorgsam an der Seite entlangtastete, ob sie auch genügend zugedeckt war. Die Ränder der Decke drückte er an ihren Körper, legte behutsam seinen Arm um sie und flüsterte:
Schlaf gut, Liebchen und träum etwas Süsses! und hauchte einen Kuß auf ihre Stirn.
Ja, Lars, schlaf auch schön, murmelte sie sich eng an ihn kuschelnd.
Uhr
 
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